Patientensicherheit

Search
Close this search box.
Search
Close this search box.

Speak Up: Sicherheitsbedenken ansprechen

Bei der Analyse von Fehlern in der Patientenversorgung gibt es immer wieder Situationen, in denen beteiligte Gesundheitsfachleute realisieren: Es besteht ein Risiko für die Patientensicherheit. Doch oft behält die Person die Bedenken für sich – oder wird nicht gehört.

Patientensicherheit Schweiz hat diesen wichtigen Aspekt der Sicherheitskultur im Rahmen eines Forschungsprojekts für die Schweiz untersucht und Empfehlungen entwickelt, die in der Schriftenreihe Nr. 8 der Stiftung erschienen sind. 

Mit einem validierten Fragebogen können Spitäler und Kliniken das innerbetriebliche Kommunikationsverhalten erheben für eine bessere «Speak Up»-Kultur im Gesundheitswesen.

Die Ausgangslage

Hierarchien können die Kommunikation zwischen Fachpersonen in Gesundheitseinrichtungen erschweren. Auch der zunehmende Zeitdruck kann verhindern, dass Sicherheitsbedenken bei der Patientenversorgung angesprochen werden.

Wenn Mitarbeitende zu Behandlungs- und Betreuungsfehlern schweigen, ist dies oft das Resultat eines komplexen Abwägens. Sie haben Angst, Berufskolleginnen und -kollegen blosszustellen, gute Arbeitsbeziehungen zu gefährden oder die Patienten zu verunsichern.

Patientensicherheit Schweiz setzt sich ein für die wirksame Implementierung der Speak Up-Kommunikation im Gesundheitswesen. Unter Speak Up versteht die Stiftung eine verbindliche Kommunikation von Sicherheitsbedenken – durch Informationen, Fragen, Einschätzungen oder Meinungsäusserungen – in klinischen Situationen, in denen akuter Handlungsbedarf besteht, um Patientinnen und Patienten vor Gefahren zu schützen.

Studie «Speak Up in der Onkologie»

Von Februar 2013 bis April 2014 führte Patientensicherheit Schweiz eine von der Krebsforschung Schweiz finanzierte Studie unter dem Titel «Kommunikation von Sicherheitsbedenken in der Onkologie» durch, mit qualitativen Interviews und einer schriftliche Befragung.

Die Studie hat zu folgenden Ergebnissen geführt:

  • Mitarbeitende erleben häufig Situationen, in denen sie Bedenken zur Patientensicherheit haben. Ärzte und Pflegende benutzen dann oft die nonverbale Kommunikation wie Gestik und Mimik, um Berufskollegen auf Sicherheitsregeln und ihre Bedenken hinzuweisen (zum Beispiel, indem sie einen Mundschutz reichen).
  • In der Onkologie gibt es eine gut etablierte Kommunikationskultur in Bezug auf die Medikationssicherheit (zum Beispiel bei Unklarheiten oder einer fehlerhaften Verordnung). Doch gibt es auch Bereiche, in denen es deutlich schwieriger ist, Sicherheitsbedenken anzusprechen. Im Bereich von Hygiene und Isolation, bei invasiven Prozeduren, Verletzungen von Sicherheitsregeln und -standards sowie bei Zweifeln an Behandlungsentscheiden fällt es schwieriger, bedenken anzusprechen und es wird eher geschwiegen.
  • Viele Mitarbeitende berichten, es sei oft schwierig, den «richtigen Ton in der richtigen Situation» zu finden. Gerade jüngere Mitarbeitende sowie solche an der Basis wägen genau ab, wie oder ob überhaupt sie Kollegen und Vorgesetzte auf einen Fehler oder ein Risiko hinweisen sollen. Sie sind einerseits bemüht, der Patientin die grösstmögliche Sicherheit zu gewähren. Andererseits scheuen sie sich, soziale Arbeitsbeziehungen zu gefährden und Kolleginnen und Kollegen blosszustellen. Sie können die Reaktion des Gegenübers nicht abschätzen und wollen den Patienten nicht verunsichern.
  • Die Kultur in einer Abteilung bestimmt wesentlich mit, ob Sicherheitsbedenken ausgesprochen werden.

Die Studie «Kommunikation von Sicherheitsbedenken in der Onkologie» von Patientensicherheit Schweiz zeigt, wie wichtig die gegenseitige Kommunikationskompetenz für die Patientensicherheit sind.

  • Aus den umfangreichen Ergebnissen der Untersuchung lassen sich viele konkrete Hinweise zur Verbesserung der Patientensicherheit in der Praxis ableiten. Idealerweise können Fachpersonen multiprofessionell in kurzen zielgerichteten Trainings lernen und miteinander festlegen, wie sie sich gegenseitig auf heikle Situationen und Gefahren hinweisen, welche die Patientensicherheit gefährden.

Schriftenreihe Nr. 8: Praxisleitfaden

Auf Grundlage der Erkenntnisse der Onkologie-Studie und mit Unterstützung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) hat Patientensicherheit einen Speak Up-Leitfaden für die klinische Praxis entwickelt. Er ist im November 2015 als Schriftenreihe Nr. 8 unter dem Titel «Wenn Schweigen gefährlich ist – Speak Up für mehr Sicherheit in der Patientenversorgung» erschienen.

Im Wissen darum, dass Kommunikationsprobleme bei Fehlern in Medizin und Pflege eine zentrale Rolle spielen, greift die Stiftung damit einen entscheidenden Aspekt in der interdisziplinären Zusammenarbeit auf.

Speak Up-Fragebogen

Bisher fehlte für die Praxis ein Instrument, mit dem das Speak Up-Verhalten und die die Speak Up-Kultur in einer Gesundheitseinrichtung systematisch erfasst werden können. Patientensicherheit Schweiz hat deshalb 2018 den Fragebogen «Speaking Up about patient safety questionnaire» (SUPS-Q) entwickelt. Er ist seit Juni 2019 nicht nur für Akutspitäler, sondern auch für Reha-Kliniken und psychiatrische Einrichtungen erhältlich.

Der Fragebogen, ein Instrument zur Erfassung sowie zum Monitoring von verhaltensbezogenen und kulturellen Aspekten des Speak Up in einer Gesundheitsorganisation, kann im Rahmen des klinischen Risikomanagements, in der Patientenversorgung sowie in der Versorgungsforschung eingesetzt werden. Er richtet sich an alle klinisch tätigen Mitarbeitenden im Spital, der Psychiatrischen Klinik oder der Reha-Klinik mit Patientenkontakt, unabhängig von Fachgebiet und Funktion. Der Fragebogen kann anonymisiert angewendet werden.

Mit Hilfe des Speak Up-Fragebogens …

  • lässt sich die Häufigkeit erfassen, mit der Bedenken wahrgenommen werden und defensive Verhaltensweisen auftreten (zum Beispiel, wenn Bedenken nicht angesprochen werden)
  • können Informationen zu Umgebungsvariablen (zum Beispiel psychologische Sicherheit, Resignation) erhoben werden, die Hinweise zum Arbeitsklima in der Organisation geben
  • kann der Ist-Zustand der Sicherheitskultur in Bezug auf die Kommunikation gemessen werden und es sind auch Vergleiche zwischen Organisationseinheiten und Fachpersonengruppen möglich
  • können Veränderungen über Zeit erfasst werden, wenn der Fragebogen wiederholt angewendet wird. Dies ermöglicht es, die Wirksamkeit von Interventionen zu beurteilen.

Der Speak Up-Fragebogen von Patientensicherheit Schweiz kann auf Deutsch, Französisch und Italienisch in Digitalform bestellt werden. Für die Auswertung stellt die Stiftung ein Handbuch (DE, FR) zur Verfügung.

Zur Bestellung des Speak Up-Fragebogen

Speak Up-Weiterbildung

Patientensicherheit Schweiz und Careum Weiterbildung haben gemeinsam auf der Basis der Studienergebnisse ein interprofessionelles Weiterbildungsangebot für Fach- und Führungspersonen in Spitälern und Langzeiteinrichtungen entwickelt. Der Workshop hat zum Ziel, dass Mitarbeitende sich gegenseitig besser und konstruktiv auf mögliche Risiken für die Patientensicherheit aufmerksam machen, damit eher Schaden abwenden können und zu einer lernenden Organisation beitragen.

Weitere Informationen zum Angebot finden Sie hier.

Short Facts

Laufzeit: 2013 – 2019
Budget: CHF 560’700
Finanzierung: Bundesamt für Gesundheit BAG und Krebsforschung Schweiz

Kontakt

Eric Kuhnt
Administration
+41 43 244 14 80
kuhnt@patientensicherheit.ch

Methotrexat

Akzidentelle Überdosierungen von Methotrexat verhindern Was unternehmen Spitalapotheken und öffentliche Apotheken, um gefährliche Überdosierungen des Medikaments Methotrexat zu verhindern? Einiges,

Weiterlesen

Ambulanter Sektor

Die Patientensicherheitsbewegung zielte lange Zeit nur auf den stationären Bereich. Der ambulante Sektor hat Nachholbedarf und ist deshalb ein thematischer

Weiterlesen

Just Culture

In einer Just Culture, oft als Gerechtigkeitskultur übersetzt, besteht eine Atmosphäre des Vertrauens, in der die Mitarbeitenden über sicherheitsrelevante Fehler

Weiterlesen