Sicherheit bei Blasenkathetern
Harnwegsinfekte und -verletzungen in Zusammenhang mit Blasenkathetern sind ein häufiges und substantielles Gesundheitsrisiko für Patientinnen und Patienten im Spital. Das nationale Pilotprogramm «progress! Sicherheit bei Blasenkathetern» zeigt, wie die Behandlungsqualität und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten bei der Verwendung von Blasenkathetern verbessert werden kann.
Hintergrund
In der Schweiz erhält jede sechste hospitalisierte Person einen Blasenkatheter, obwohl in 20 bis 25 Prozent der Fälle dafür eine klare Indikation fehlt. Blasenkatheter sind eine der Hauptinfektionsquellen für Harnwegsinfekte.
Bei allen Patientinnen und Patienten mit einem Blasenkatheter besiedeln Bakterien die Harnwege. Nach 30 Tagen haben alle katheterisierten Patienten trotz ordnungsgemässer Pflege eine Bakteriurie. Ein Viertel davon erkrankt an einer symptomatischen Harnwegsinfektion.
Weniger gut erforscht, aber ebenso problematisch für die Patientensicherheit sind nicht-infektiöse Komplikationen wie etwa eine Verletzung der Harnröhre oder -blase, die durch einen Katheter verursacht wurden. Gemäss internationalen Studien erleiden 2 bis 3 von 1’000 Patienten beim Einlegen eine Verletzung.
Pilotprogramm
Das von Patientensicherheit Schweiz und Swissnoso gemeinsam lancierte Pilotprogramm stellt den Spitälern erstmals eine konkrete Handlungsanleitung mit einem evidenzbasierten Interventionsbündel zum sicheren Umgang mit Blasenkathetern zur Verfügung. Sieben Schweizer Spitäler nahmen am Pilotprojekt teil. Das Programm dauerte von 2015 bis 2018. Es hat zum Ziel, den Einsatz von Blasenkathetern und damit die Häufigkeit von Verletzungen und Infektionen in Verbindung mit Blasenkathetern zu reduzieren.
Programmaufbau:
Achsen
- Interventionsachse 1: Thematisierung, Sensibilisierung und Vermittlung neuer Normen. Visibilität und Präsenz in der Fachwelt und teilweise auch in der Öffentlichkeit.
- Interventionsachse 2: Vertiefungsprojekt in den Pilotspitälern mit einem Interventionsbündel, das aus wissenschaftlich abgestützten Massnahmen besteht.
Interventionsbündel mit dem Ziel, das Risiko von Infektionen und Verletzungen zu senken
Blasenkatheter sollen künftig seltener, kürzer und sicherer gelegt werden.
- Seltener: Blasenkatheter werden nur gelegt, wenn eine eindeutige Indikation gemäss Indikationsliste vorliegt.
- Kürzer: Die Liegedauer von Blasenkathetern ist so kurz wie möglich, die Indikation wird täglich überprüft.
- Sicherer: Das Legen und Pflegen von Blasenkathetern erfolgt durch speziell und regelmässig geschulte Fachpersonen mit klaren Verantwortlichkeiten.
Evaluationsinstrumente
- Surveillance: Die Erhebung der Anzahl Katheterisierungen, der Häufigkeit von infektiösen und nicht-infektiösen Komplikationen sowie der Prozessvariablen erlaubt es, das Verbesserungspotenzial abzuschätzen und die Wirksamkeit der Intervention aufzuzeigen. Eine Messung erfolgte vor der Intervention und eine nach der Intervention.
- Mitarbeiterbefragung:Das Problembewusstsein ist zentral, deshalb untersuchte eine systematische Befragung der Mitarbeitenden deren Wissen, Werthaltungen und Einstellungen. Eine erste Befragung erfolgt vor Beginn des Vertiefungsprojekts, eine zweite danach.
- Prozessevaluation: Neben der Surveillance und der Mitarbeiterbefragung bedarf es weiterer projektbezogener Evaluationserhebungen, um Informationen über die Art der Umsetzung, über förderliche und hinderliche Faktoren bei der Umsetzung sowie die Compliance mit den Massnahmen zu erhalten. Die Prozessevaluation erfolgte punktuell über die gesamte Dauer der Verbesserungsperiode.
Das Programm progress! Sicherheit bei Blasenkathetern wurde von der Kantonalen Ethikkommission Bern begutachtet und bewilligt. Synopsis National ‚progress! Safe urinary catheterization’ Programme (in Englisch)
Pilotspitäler
Wichtigste Erkenntnisse
Das Pilotprogramm hat seine Ziele erreicht: In den Pilotspitälern trug das Interventionsbündel dazu bei, unnötige Katheterisierungen zu vermeiden. Auch die Katheternutzung ging zurück und es traten weniger nicht-infektiöse Komplikationen auf, die auf Katheterlegung zurückzuführen waren. In der Häufigkeit von Harnwegsinfektionen in Verbindung mit Blasenkathetern liess sich keine Änderung feststellen – sie war in den Pilotspitälern von Beginn an sehr niedrig. Der korrekte Umgang mit Blasenkathetern wurde in den Pilotspitälern vermehrt zum Thema gemacht und das Wissen der Mitarbeitenden bezüglich einer sicheren Anwendung nahm zu. Nun gilt es, das Interventionsbündel auch in anderen Spitälern einzuführen und umzusetzen.
Update Schriftenreihe
Zum Abschluss des Pilotprogramms ist 2018 ein Update der Schriftenreihe Nr. 9 «progress! Sicherheit bei Blasenkathetern» erschienen. Darin sind die wichtigsten Eckpfeiler des Pilotprogramms nachgezeichnet sowie die Erfahrungen und Erkenntnisse zusammengefasst, die beim Einsatz und der Überprüfung des Interventionsbündels gewonnen wurden. Die Publikation richtet sich an Fachpersonen der Ärzteschaft und Pflege, insbesondere der Notfallstationen, des OP-Bereichs und der Spitalhygiene, sowie an Verantwortliche des Qualitäts- und Risikomanagements in Akutspitälern.
Zusammen bieten die Schriftenreihe und das Update umfangreiches Hintergrundwissen und praxiserprobte Handlungsanleitungen, um die Häufigkeit von Blasenkathetern sowie deren Liegedauer bei erwachsenen Patientinnen und Patienten im Akutspital zu reduzieren. Angesprochen sind alle, die sich tagtäglich für die Verbesserung der Patientensicherheit in ihrem Betrieb einsetzen – sei es als Ärztin, Pflegefachperson, Hygieneexpertin, Risikomanager, Lagerungsfachperson oder Mitglied der Spitalleitung.
Short Facts
Laufzeit: 2015 – 2018
Finanziert durch: Bundesamt für Gesundheit BAG
Kontakt
+41 43 244 14 80
info@patientensicherheit.ch
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